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I
Schweiz
Von
Peter Niggli*
"Ich
würde Globalisierung als die Freiheit für meine Gruppe
von Unternehmen definieren, zu investieren, wo und wann sie will,
zu produzieren, was sie will, zu kaufen und zu verkaufen, wo sie
will, und die möglichst geringsten Restriktionen zu unterstützen,
die aus Arbeitsgesetzen und sozialen Übereinkünften resultieren."
PERCY
N. BARNEVIK, Verwaltungsratspräsident ABB
1 Folgerichtig
betrachtet der EU-Kommissar für Handelspolitik, Pascal Lamy,
das "Management der öffentlichen Meinung" - also die effiziente
Verwaltung unserer Gehirne - als essenziell, um die Globalisierung
wieder in Fahrt zu bringen. Wie die öffentliche Meinung am besten
zu managen sei, ist Gegenstand einer erregten Debatte unter Unternehmern,
Ministern und Chefideologen der reinen Marktwirtschaft.
2
Seattle!
Washington! Prag! Davos! - Seit einem Jahr belagern Demonstranten
jede Tagung internationaler Wirtschaftsinstitutionen und prangern
die negativen Folgen der Globalisierung an. Die Demonstration zum
bevorstehenden Weltwirtschaftsforum in Davos wird die kleinste sein.
Zur gleichen Zeit versammeln sich Tausende am Gegengipfel Forum
Social Mundial in der südbrasilianischen Stadt Porto Alegre.
Die globale Protestwelle brachte die wirtschaftspolitische Agenda
der permanenten Liberalisierung, welche die Neunzigerjahre gekennzeichnet
hat, zu einem vorläufigen Ende. Die Welthandelsorganisation
(WTO) ist zwischen Industrie- und Entwicklungsländern gespalten,
der Internationale Währungsfonds (IWF) in seiner Legitimation
schwer erschüttert. In 15 Entwicklungsländern - darunter
Argentinien, Brasilien, Kenya, Nigeria, Südafrika, Thailand
und Südkorea - kam es im letzten Jahr zu grösseren Massendemonstrationen
und Streiks gegen wirtschaftspolitische Diktate des IWF.
3 Offensichtlich
ist ein Stimmungsumschwung gegen die Globalisierung im Gang. Dabei
erhält die Opposition Rückenwind durch eine skeptische
öffentliche Meinung. In den Ländern des Südens herrscht
heute die Ansicht vor, die Globalisierung diene der Bereicherung
des reichen Nordens. Und in den Industrieländern sehen sich
viele Menschen eher als Opfer, denn als Gewinner der Globalisierung.
Das Weisse Haus weigerte sich deshalb im Sommer 2000, in einem gemeinsamen
handelspolitischen Text mit der Europäischen Union (EU) den
Begriff "Globalisierung" zu verwenden. Zuvor hatten entsprechende
Meinungsumfragen derart negative Resultate gezeitigt, dass die Administration
Clinton den Wahlkampf Al Gores nicht mit deren Verteidigung belasten
wollte.
II
Die
"Kinder der Globalisierung"
1
Viele Global Players halten jedoch die ökonomische Argumentation
der Opposition gegen unbegrenzten Freihandel und unkontrollierte
Finanzmärkte für Schwachsinn. Die Anti-Globalisierer bauten
ihre Argumentation auf Mythen, behauptet das Institute for International
Economics in Washington. Aktivitäten ökonomischer Analphabeten
seien wohl hinzunehmen, kommentierte der neoliberale Wirtschaftskolumnist
der "Herald Tribune". Gefährlich sei hingegen, dass Gewerkschaften
und Umweltorganisationen, die das Rückgrat der Bewegung gegen
die Globalisierung bildeten, diesen Analphabetismus übernähmen.
2
Vordergründig zeigen die Weltwirtschaftskapitäne Verständnis
für die Motive der Opposition. Weltbank-Chef James Wolfensohn
versteht sie als Ausdruck der Jugend: "Kinder der Mittelklasse aus
meiner Generation pflegten zum Protest auf die Strasse zu gehen.
Nun haben wir eine neue Serie von Protesten. Ich nehme das überhaupt
nicht übel und bin froh, dass sie Interesse zeigen." Pascal
Lamy nennt die Opponenten zärtlich "Kinder der Globalisierung".
Und Alan Greenspan, der Chef der US-Zentralbank, anerkennt sogar
"eine berechtigte Furcht" - die Demonstranten fürchteten, die
lokal situierte, politische Kontrolle über ihr Schicksal zu
verlieren.
3
Schwachsinn
hin oder her: Der "Economist", das führende Meinungsblatt der
Global Players, fürchtet, dass die Opposition in zwei Punkten
Recht habe. Erstens sei das moralisch, politisch und ökonomisch
drängendste Problem unserer Zeit die Armut der Dritten Welt.
Und zweitens liesse sich die Globalisierung auch wieder rückgängig
machen, da sie aus einer Reihe politischer Entscheidungen von Regierungen
hervorgehe. Je stärker der Druck von der Strasse, umso grösser
die Versuchung für Regierungen, ihre Politik pro Globalisierung
abzudämpfen, folgert der "Economist".
4
Alle
zusammen ziehen eine gemeinsame Schlussfolgerung: Was die Opposition
gegen die Globalisierung angeblich für die Ärmsten dieser
Welt oder für die Unterprivilegierten in den reichen Ländern
anstrebe, lasse sich nur durch eine konsequent fortgeführte
Globalisierung erreichen. Grossen Applaus erntete etwa der abtretende
mexikanische Staatschef Ernesto Zedillo am letztjährigen Davoser
Weltwirtschaftsforum, als er die Globalisierungsopposition bezichtigte,
die Entwicklung der Entwicklungsländer behindern zu wollen.
5
James Wolfensohn beklagte, die Demonstranten verstünden nicht,
dass die Weltbank genau die Probleme anpacke, gegen die sie protestierten.
Es sei schwierig, sie davon zu überzeugen, dass er nicht zu
den grossen schlechten Kapitalisten gehöre. Ähnlich argumentiert
heute der Währungsfonds, der all seine Energien in die Armutsbekämpfung
stecken will. Oder WTO-Direktor Mike Moore, laut dem die WTO vor
allem den ärmsten Ländern diene (wovon bis heute allerdings
faktisch nichts zu sehen ist).
6
Die meisten westlichen Regierungen und Repräsentanten internationaler
Wirtschaftsinstitutionen erkennen seit Seattle an, dass die Globalisierung
Gewinner und Verlierer erzeugt. Letzteren müsse geholfen werden.
Deshalb plädierte der Direktor des Institute for International
Economics, Fred Bergsten, vor der Trilateralen Kommission dafür,
soziale Sicherheitsnetze zu spannen. Bergsten führt die Globalisierungsängste
in den USA auf deren Mangel zurück, unter anderem auf das Fehlen
einer effektiven Arbeitslosenversicherung.
7
An der Frühjahrstagung 2000 der International Chamber of Commerce
(ICC) bezweifelten allerdings einige erfolgreiche Unternehmer aus
Indien, Südafrika und Bangladesh, dass die Globalisierung allen
Ländern Gewinn bringe. Sie wiesen auf wachsende Ungleichheiten
hin und sagten, kleine lokale Unternehmen hätten nur begrenzte
Chancen, die Konkurrenz der grossen transnationalen Konzerne zu
überleben. Die ICC-Chefs reagierten heftig auf diese Verletzung
des Kanons aus den eigenen Reihen und beschuldigten die Sprecher,
die Globalisierung selber zu bedrohen.
III
Welche
Wörter dienen bei Aufgabe II als Tip für die Reihenfolge
der Abschnitte? Tragen SIe sie ein und drücken SIe aud
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