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In Japan heißt "hai" längst nicht "ja"
Ausländische Manager sollten Etikette und die Kunst der indirekten
Kommunikation beherrschen
Von Bastian
Broer
Königswinter - Japan, das ist für deutsche Reisende zuallererst
Tokio, und Tokio ist ein Amalgam von überraschend zähen
Traditionen und unerwartet amerikanischem Lifestyle. Kaum ein deutscher
Geschäftsmann kann sich beim ersten Besuch der Faszination
entziehen, die vom weitgehend perfekten Funktionieren dieser riesigen,
chaotisch wirkenden Metropole ausgeht. Wer je die Bahnhofsvorplätze
in Shinjuku und Shibuya besucht hat, kennt das ungläubige Staunen
darüber, dass es in Japan trotz der Menschenmassen gelungen
ist, eine Form des Wirtschaftens aufrechtzuerhalten, in der der
verbindliche, persönliche Umgang mit dem Kunden den zentralen
Erfolgsfaktor darstellt. Entscheidend ist, japanischen Geschäftspartnern
die ihnen entsprechende Wertschätzung zu kommunizieren. So
erleben deutsche Geschäftsleute das Japan-Geschäft durchaus
sehr unterschiedlich: Wer dringend benötigte patentgeschützte
High Tech an japanische Partner verkauft, darf sich einer Rundumbetreuung
ohnegleichen erfreuen. Der deutsche Gast wird hofiert, zu den exotischsten
Fischgerichten eingeladen, jeder Wunsch wird von den Lippen abgelesen.
Interkulturelle Reibungsflächen erlebt man nicht, da die japanische
Seite bereit und fähig ist, dem Ausländer weitgehend entgegenzukommen,
weil dem ausländischen "Sensei" eine Ehrenrolle zufällt.
Diesen ausländischen Kow-how-Trägern bleibt Japan in der
Regel unbegreiflich, liebenswert und zumeist auch profitabel. Japans
Business-Antlitz verändert sich abrupt, sobald deutsche Geschäftsleute
als ein Lieferant unter vielen ihr Produkt an den anspruchsvollen
japanischen Kunden bringen wollen oder als Mitarbeiter einer deutschen
Konzernzentrale die Internationalisierung der japanischen Tochterfirma
vorantreiben möchten. Nun kommt es darauf an, sich in der fein
ziselierten japanischen Etikette auszukennen. Der Ausländer
sieht sich mit präzisen Verhaltenserwartungen konfrontiert.
So muss er wissen, dass ein Lieferant in Japan sich nicht erlaubt,
selbst weit "überzogene" Anforderungen des potenziellen
Kunden sachlich begründet zurückzuweisen, da Kunden in
Japan nicht etwa Könige sind, sondern als Götter (kamisama)
gelten.
Als Lieferant sollte ein ausländischer Marktteilnehmer die
hohe Kunst japanischer indirekter Kommunikation beherrschen, um
sich nicht ständig mit unnötigen Zugeständnissen
das Wohlwollen seriöser japanischer Geschäftsleute teuer
erkaufen zu müssen. Es reicht nicht nur zu wissen, dass ein
japanisches "Ja" ("hai") im Zweifel nicht viel
mehr ist als eine eher vage Andeutung, man muss dieses "hai"
auch aktiv einsetzen können. Das fällt Deutschen, die
klare Aussagen lieben, sehr schwer.
Japaner sind Formalisten. Jederzeit die Contenance zu wahren stellt
einen hohen Wert dar. Dafür finden sich zahlreiche Beispiele
im Geschäftsleben: Japanische Kunden weisen regelmäßig
Ware zurück, wenn auch nur noch so feine und unbedeutende Varietäten
geliefert werden, oder die Produktbeschreibung auch nur marginal
abweicht. Japanische Manager in deutschen Tochterfirmen fühlen
sich auch nicht berechtigt, Controllern aus dem deutschen Mutterhaus
Einsicht in Vorgänge zu gewähren, solange der Controller
nicht in einer kurzen offiziellen Begrüßungszeremonie
empfangen wurde. Verträge werden so intensiv durchgearbeitet,
dass japanische Geschäftspartner in der Regel sämtliche
Tippfehler finden und dem deutschen Partner deswegen mangelnde Arbeitsqualität
attestieren. Deutsche Geschäftsleute sind gut beraten, ihre
Seriosität in Japan unter anderem auch dadurch formal unter
Beweis zu stellen, dass sie sich konservativ kleiden und vorm Kunden
verbeugen, was nicht unbedingt der japanischen Etikette gemäß
im exakten 90-Grad-Winkel geschehen muss. Hier genießen Deutsche
einen Ausländerbonus. Das Ansehen ausländischer Geschäftsleute
steigt, wenn diese sich als umsichtige Partner erweisen, die bis
aufs Detail gewissenhaftes Arbeiten erkennen lassen. So nehmen Japaner
wohlwollend zur Kenntnis, wenn ausländische Gäste die
obligatorischen Visitenkarten nicht nur auf Englisch, sondern auf
Japanisch bereithalten, wenn diese Visitenkarten so überreicht
werden, dass der Empfänger sie zum Lesen nicht mehr drehen
und wenden muss, und wenn die Visitenkarten der Hierarchie entsprechend
in absteigender Reihe einzeln überreicht werden Zur formvollendeten
Visitenkartenübergabe gehört auch die Wertschätzung
des Empfängers. Er liest die oder den Namen vor und äußert
sich lobend über das Firmenlogo oder die hohe Position des
Gesprächspartners.
Geschäftlichen Erfolg bringt in Japan nur der formvollendete
Auftritt
Der geschäftliche Erfolg in Japan hängt stärker als
hier zu Lande von zentralen Faktoren ab:
l Gute Vorbereitung
Machen Sie sich ein genaues Bild der Geschäftspartner. Lassen
Sie sich vorab die Namen und Positionen aller Ansprechpartner nennen,
damit Sie der formalen Hierarchie Genüge leisten und auch entsprechend
abgestufte Gastgeschenke präsent haben. Dem hierarchisch Höchsten
gebührt der erste Händedruck, das größte Geschenk
und der Dankbrief für die freundliche Aufnahme.
l Formvollendetes Auftreten
Japaner legen größten Wert auf gepflegte Kleidung, kultivierte
Tischmanieren, perfekte Geschäftsunterlagen, pünktliches
Erscheinen. Nachlässigkeit im Formalen lassen Japaner an der
Integrität der Geschäftspartner zweifeln. Wer etwa trotz
ausdrücklicher Erlaubnis vor seinem nicht rauchenden japanischen
Geschäftsfreund raucht, verspielt sich leichtfertig Vertrauen.
l Vermeiden von Konfrontationen
Japaner interessieren sich meist nicht für objektive Gründe,
warum etwas nicht funktioniert. Die Redewendung "Das geht nicht,
weil ..." sollte man ersetzen durch "Wir halten es für
schwierig, werden aber unser Möglichstes versuchen."
l Menschliche Verbindlichkeit
Respekt und Wertschätzung des Gegenübers kann man in Japan
nicht genug kommunizieren. Zu würdigen, dass der japanische
Partner reiche Auslandserfahrung besitzt, sehr gut Englisch spricht
- selbst wenn dem nicht so sein mag - oder hohe Verantwortung trägt,
ist generell geeignet, die erfolgsentscheidende persönliche
Beziehung aufzubauen und zu festigen. Will man in Japan eine Sache
vorantreiben, sollte man zunächst den Beteiligten den gebührenden
Ehrenplatz zukommen lassen. Es schadet nichts, durchblicken zu lassen,
dass man sich besonders umsichtig für die Belange des Partners
einsetzen wird.
Bastian Broer
ist Ostasienexperte bei IFIM Institut für Interkulturelles
Management in Königswinter