Lesen Sie diesen Text durch. Was verstehen Sie unter sozialer, kiommunikativer und oranisatorischer Kompetenz? Diskutieren SIe dieses Thema mit Ihren Kommilitonen auf dem Bulletin Board.

Fortsetzung des Textes 'Leiten Lernen' von Claus G. Schmalholz

Soziale Kompetenz: Die Mitarbeiter von heute haben ein neues Bild von ihrem Job. Berufs- und Privatleben lassen sich immer weniger voneinander trennen. Das Bewusstsein, dass Arbeitszeit auch Lebenszeit ist, führt zu höheren Ansprüchen an den Sinn der beruflichen Aufgaben.

Den meisten Mitarbeitern gilt nicht mehr jener Chef als der beste, der am höchsten zahlt, sondern derjenige, der ein sinnstiftendes Paket aus Inhalten, Umfeld (Kollegen, Branche) und strategischer Ausrichtung des Unternehmens bieten kann.

Gleichzeitig gewinnen Familie und privates Glück an Gewicht. Die Menschen opfern sich nicht mehr auf für den Betrieb um den Preis ihrer Gesundheit.

Führungskräfte müssen also kooperieren und koordinieren. Sie sollen Konflikte erkennen und sie lösen. Sie müssen selbst teamfähig sein und benötigen ein echtes, nicht gespieltes Einfühlungsvermögen, um ihre Mitarbeiter wirklich verstehen zu können. Hier hapert es vor allem bei Männern, wie der Hamburger Erziehungswissenschaftler Jens Weidner (42) meint. Die sähen sich als Meister rationaler Lösungsmechanismen und technokratischer Kommunikation. Bei emotionalen Konflikten hingegen zeichneten sie sich durch eine ausgeprägte Begriffsstutzigkeit aus.

Wie soll dass dann einer hinkriegen, der gerade mal 24 Jahre jung ist, männlich und Mitarbeiter beschäftigt, die meist doppelt so alt sind wie er selbst? Ganz einfach: Er muss seine Schwächen offen legen.

Chris Schroers (24), einer von vier Gründern des Kölner Business-to-Business-Marktplatzes Econia, gibt unumwunden zu, dass er als Chef erst mal viel lernen musste. Sein Führungsstil bestand anfangs darin, einfach sympathisch zu sein. Doch die Marketingabteilung, die er leitete, wuchs schnell. Bald reichte es nicht mehr aus, nur nett zu sein. Sein Schlüsselerlebnis hatte Schroers, als ein neuer Mitarbeiter vor ihm stand und fragte, was denn eigentlich sein Job sei. Da wurde dem jungen Unternehmer plötzlich klar, dass er nun eine Führungsaufgabe wahrzunehmen hatte. Schroers dachte gründlich darüber nach, welchen Beitrag seine Abteilung zum Erfolg der Firma zu liefern hatte. Schließlich schrieb er in einem kleinen Handbuch die internen Abläufe nieder, formulierte klare Regeln für den Umgang miteinander und entschied sich für das Management nach Zielvereinbarungen.

Auf diese Weise bekam der Bereich eine Struktur, die für erfolgreiches Wachstum unabdingbar war. Schroers hatte eine wichtige Lektion gelernt: Führung heißt, die Forderungen der Mitarbeiter zu erkennen und sie in das übergeordnete Unternehmensziel einzugliedern.

Die sozialen Veränderungen in der Gesellschaft schlagen sich natürlich auch in den Unternehmen nieder. Diesen simplen Tatbestand, meint der Personalberater Peter Bachsleitner, müssten Führungskräfte akzeptieren, auch wenn es unbequem sei.

Zu den herausforderndsten Wandlungen gehört, so Bachsleitner, "dass die Mitarbeiter immer lauter die Forderung nach mehr Demokratie stellen; sie wollen mitreden". Erfolgreich könnten nur jene Führungskräfte sein, die in der Lage seien, die Menschen um sie herum zu verstehen und sie richtig zu beurteilen.

Schlichte Folgerung für den Alltag: Wer verstehen will, muss vor allem eines tun - zuhören.

 

Kommunikative Kompetenz: Zeit ist Geld. Diese ökonomische Grundformel zerstört nicht selten die Basis jeder Beziehung zu den Mitarbeitern. Aufträge werden im Vorbeilaufen erteilt, Konzepte in hastig einberufenen Konferenzen erstellt.

Dabei täte jeder Vorgesetzte gut daran, seine Mitarbeiter auch über die kleinen Dinge des Arbeitsalltags zu informieren und ihren Rat einzuholen. Was nutzen das hohe Ausbildungsniveau und der geballte
Erfahrungsschatz hochkarätiger Spezialisten, wenn deren Wissen nicht gezielt eingesetzt wird? Der Nachwuchs verfügt zudem häufig über ein dichtes Netzwerk aus der Studienzeit. Und da so mancher Kommilitone bei der Konkurrenz beschäftigt ist, sind Mitarbeiter oft besser über die Wettbewerbssituation informiert als ihre Chefs. Dieser Wissensvorsprung
lässt sich nutzen.

Allerdings: Ohne Vertrauen - auf beiden Seiten - läuft gar nichts. Vorgesetzte, die ihre Leute nur scheinbar an der Entscheidungsfindung teilhaben lassen, stehen schnell allein da. Wer mit gezinkten Karten spielt, verliert schon mal das ein oder andere Ass im Team.

Die Forderung nach offener Kommunikation erfordert aber die Bereitschaft, Kritik zuzulassen und neue Ideen nicht schon im Keim zu ersticken. Der Dienstweg ist selten der Königsweg, wie eine kleine Begebenheit mit Jack Welch, dem CEO von General Electric, zeigt. Eines Tages kamen Mitarbeiter zu ihm und präsentierten ihm eine neu entwickelte Lampe. Sie funktionierte nicht. Welch reagierte nicht etwa sauer, weil die Techniker seine Zeit vergeudet hatten. Im Gegenteil. Er belohnte jeden mit einem Fernseher. "Sonst trauen sich die Leute nicht mehr, etwas auszuprobieren", sagt Welch. Erfahrene Manager nutzen zusätzlich die informellen Strukturen. So lässt sich zum Beispiel via "Flurfunk" gezielt die Akzeptanz von Entscheidungen vorab testen.

Kommunikation nur um der Kommunikation willen ist kontraproduktiv. Zahllose E-Mails
durchs Unternehmen zu schicken bringt nichts. Ständig am Handy zu hängen schon gar nichts. Jack Welch hat sogar die Unsitte abgeschafft, über jede Besprechung ein "Memo" zu verfassen.

Ein praktisches Problem für effiziente Kommunikation schafft die Globalisierung: In vielen weltweit tätigen Unternehmen ist Englisch mittlerweile die Hauptsprache. Doch die unterschiedlichen Kenntnisse der Sprache erschweren häufig die Verständigung. Ein Siemens-Manager formulierte das ganz plastisch: "Wie schimpfe ich auf Englisch richtig?"

Was folgt daraus? Nur noch Englisch sprechen? Nur noch Deutsch? Weder noch. Statt unsinnige Vorschriften zu erlassen, sollten Manager situationsgerecht entscheiden. Und die Leute immer wieder ermuntern, zu denken statt zu plappern.

So wie Lou Gerstner das machte, als er 1993 Chef von IBM wurde. Von heute auf morgen schaffte er ein ehernes IBM-Arbeitsprinzip ab, die Präsentationen via Overhead-Folien. Gerstner meinte, die Leute sollten lieber üben, klare Gedanken zu fassen und zu argumentieren, statt sich hinter nichts sagenden Grafiken, Zahlen und Schlagwörtern zu
verschanzen.

Organisatorische Kompetenz: Unternehmen sind keine geschlossenen Komplexe mehr. Die Vernetzung der Welt und die zunehmende Transparenz der Märkte zwingen zur Öffnung — hin zu lernenden Systemen, deren Führungskräfte sich als Anstifter des permanenten
Wandels begreifen.

Birgitta Jaeggle (55), Gründerin der Möbelkette Domicil, hat sich für eine radikale Form der Organisation entschieden. Sie vertraut darauf, dass sich ihre 2000 Beschäftigten weitgehend selbst führen.

Jedes der Domicil-Möbelhäuser wird von einem Team aus 10 bis 15 Mitarbeitern geleitet. Geschäftsführer gibt es nicht. Jeweils im Januar vereinbaren die Teams in Abstimmung mit der Zentrale Ziele, zum Beispiel die Höhe des Umsatzes. Wie die Gruppe die Vorgabe erreicht, wird nicht festgelegt.

So schafft sich Jaeggle Zeit für die zwei aus ihrer Sicht wichtigsten Führungsaufgaben: die ständige Weiterbildung ihrer Mitarbeiter in der hauseigenen Akademie sowie die Entwicklung neuer Möbelkollektionen und -konzepte.

Wird hier das Traumbild des selbstbestimmten Arbeitens ohne Druck von oben verwirklicht? Natürlich nicht. Jaeggle kontrolliert ihre Mitarbeiter mit einem schlichten Werkzeug: dem Tagesbericht. Dieses altmodische Verfahren ist nach Ansicht des Managementexperten Fredmund Malik eines von sieben Werkzeugen, deren Einsatz jeder Chef beherrschen sollte.

Werkzeuge? Das klingt ja gerade so, als sei Manager ein erlernbarer Beruf wie Maler oder Mechaniker. Führung bedeute in erster Linie Menschenführung, und die sei durchaus lernbar, meint Malik. Eines der wichtigsten Instrumente sei die systematische Müllabfuhr. Einmal im Jahr, empfiehlt der Werkzeugmacher der Managementlehre, der mit dem Managementzentrum St. Gallen selbst einen 100-Mann-Betrieb aufgebaut hat, müssten sich Führungskräfte zwei Fragen stellen: Wovon sollen wir uns trennen? Was sollen wir nicht mehr tun?

Einer der besten Müllmänner ist Jack Welch. Er hat Anfang der 80er Jahre angeordnet, aus allen Geschäftsgebieten auszusteigen, in denen General Electric nicht mindestens Zweiter am Weltmarkt war. Ein schlichter Kniff, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass aus einem fetten, bürokratischen Koloss eines der bestgeführten und profitabelsten Unternehmen der Welt wurde.

Der legendäre Jack Welch lässt sich leicht als leuchtendes Beispiel für gute Führung darstellen. Mancher Mittelständler oder Jungunternehmer mag jedoch einwenden, dass der riesige GE-Konzern leider nicht mit seinem Unternehmen zu vergleichen sei.

Klingt einleuchtend, und dennoch: Eine Firma gut zu führen hängt nicht von der Größe oder der Branche ab. Erfolgreiche Führung ist vor allem die Kunst, die richtigen Mitarbeiter mit den richtigen Aufgaben zu betrauen.

All das ist erlernbar. Weil Führungskompetenz kein Geschenk des Himmels ist. Sondern ein Stück harter Arbeit, das jeden Tag aufs Neue erledigt werden muss.