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Interkulturelles Training - Schlüssel zum
Verstehen
Kulturelle Unterschied in der Kommunikation
1
Beginnen wir also mit einer Beobachtung, die so oder ähnlich
immer wieder von deutschen Geschäfsleuten zu Protokoll gegeben
wird - die Überreichung von Geschenken beim ersten Besuch eines
potenziellen Geschäfstpartners: Sind Japaner zu Besuch im Unternehmen,
so wird man meist mit diversen Geschenken "überrascht".
Wie läßt sich dieses "Geschenkemanagement"
erklären? Deutsche Geschäftsleute sind auf diese Überreichung
von Geschenken - wohlgmerkt beim ersten Kontakt unter völlig
Fremden - in der Regel nicht vorbereitet, und es kommt nicht selten
zu krassen Fehldeutungen des fremden Verhaltens.
2 Gibt es in der globalisierten Wirtschaft noch kulturbedingte
Unterschiede? Wenn ja, folgen sie einr bestimmten Systematik und
wie kann man mit diesen oft subtilen Unterschied, den "verborgenen
Signalen", in der Kommunikation umgehen? So mancher erste Kontaktversuch
zwischen potenziellen Partnern in der internationalen Arena ist
schon missglückt. Die betroffenen Firmen oder Personen reden
allerdings nicht gernen darüber, weil so etwas als eigene oder
fremde "Inkompetenz" wahrgenommen wird. Lernen kann man
allerdings nur aus der Aufklärung der nicht offen zutage liegenden
Ursachen. Bei dem Versuch einer Aufarbeitung tun sich die Betroffenen
oft schwer, was nachvollziehbar ist, da die Ursachen meistens im
Verborgenen liegen. Nicht selten führen die Akteure das Scheitern
oder den Abbruch der Beziehungen auf persönliche Defizite der
jeweils anderen Seite oder auf relativ banale sprachliche Gründe
zurück. Kulturelle Ursachen werden dagegen eher selten angenommen,
weder für das Verhalten der anderen noch für das eigene.
Sich selbst als Produkt einer ganz bestimmten Kultur mit einer ganz
spezifischen Art zu kommunizieren zu begreifen, fällt außerordentlich
schwer. Die dazu nötige Fähigkeit zur distanzierten Selbstwahrnehmung
ist relativ schwer zu erwerben, obwohl sie für produktive interkulturelle
Kontakte - zum Beispiel in der Wirtschaft - unerlässlich ist.
Welche Rolle kulturbedingte Unterschiede in einer globalisierten
Wirtschaft spielen, soll im Folgenden anhand einiger konkreter Beispiele
beanwortet werden. Die hier zu behandelnden Unterschiede sind oft
sehr subtil; sie betreffen so schwer Greifbares wie den Kommunikationsstil,
allgemein gesprochen, all die stillschweigenden Annahmen darüber,
was Mitglieder ethnischer oder kultureller Gruppen für die
"normale Art" halten, zu kommunizieren und sich zu verhalten.
Die amerikanischen Kulturanthropologen Edward T. Hall und Mildred
Reed Hall haben diese Untrschiede in der Kommunikation als "hidden
differences" bezeichnet. Gerade weil sie auch den Akteuren
selbst eher verborgen sind, üben sie einen starken, oft schwer
kalkulierbaren Einfluss auf die Kommunikation aus. Zwei weit verbreiteten
Missverständnissen soll jedoch gleich vorgebeugt werden. Erstens:
Wer kulturelle Unterschiede anerkennt statt deren Existenz zu bestreiten,
sagt damit nicht, dass jedes Mitglied einer Gruppe sich in jedem
konkreten Einzelfall "nach dem Lehrbuch" verhält
und damit vollständig berechenbar wäre. Und zweitens soll
festgehalten werden, dass die Feststellung von Unterschieden nicht
mit einer wertenden Einstellung verbunden ist. In Dingen der Kultur
gibt es kein besser oder schlechter, nur
anders.
3 Kenntnisse über verhaltenssteuernde Regeln können
im Geschäftsleben sehr wertvoll sein, weil die Parteien besser
einschätzen können, was sie zu erwarten haben und weil
derartige Kenntnisse die Verhaltenssicherheit berächtlich erhöhen:
Man weiß, was man erwarten kann und ist deshalb in der Lage,
vorhersehbare Mißverständnisse und Reibungspunkte zu
vermeiden.
Geschäfte,
Geschenke, Einladungen
1 Nach
dem hier skizierten asiatischen Modell unterscheidet sich eine Geschäftsbeziehung
von einem Verkauf auf der Straße vor allem dadurch, dass die
Herstellung einer persönlichen Beziehung für notwendig
angesehen wird. Geanso wichtig wie die persönliche Beziehung
für das Gelingen einer Geschäftsbeziehung ist im asiatischen
Modell - Entsprechendes gilt auch für die Geschäftskulturen
des Nahen Ostens und Lateinamerikas - die Etablierung eines Systems
wechselseitiger Verpflichtungen (Leistungen und Gegenleistungen),
und zwar als Voraussetzung für jegliche weitere Kommunikation.
Daher muss dieses System zu Beginn einer Geschäftsbeziehung
eingerichtet werden und nicht, wie im Westen, erst am Ende einer
Kette von Begegnungen.
2 Geschenke
gehören - wie Einladungen - zum großen Gebiet des Austauschverhaltens;
in allen Kulturen treten Menschen in Beziehung zueinander. Sie treffen
sich, laden sich ein, tauschen Ansichten und Gedanken aus. Auch
der Austausch von Geschenken gehört seit alters her dazu. Insofern
gehört das Überreichen von Geschenken zu den universellen
Basisphänomenen jeder Interaktion zwischen Gruppen. Die jewilige
Ausprägung des Schenkens und Beschenktwerdens folgt jedoch
sehr unterschiedlichen und kulturabhänigen Regeln. Für
viele Asiaten, aber auch Geschäftsleute aus dem Nahen Osten,
gilt der Satz: "Geschäfte kann man nur mit Freunden machen".
Für die meisten "Westler" gilt dagegen: Geschäftliches
und Privates sind strikt zu trennen. Und außerdem: Geschenke
gehören, ebenso wie Freundschaft, eindeutig in den Bereich
des Privaten. Eine Freundschaft kann sich aus einer geschäfltichen
Beziehung ergeben, aber erst am Ende einer längeren Kette von
Begegnungen. Freundschaft sollte jedoch auch dann in keinem Fall
geschäftliche Entscheidungen beeinflussen. Insofern dürfen
Geschäfte auf keinen Fall den Charakter der bewussten oder
verdeckten Einflussnahme auf geschäftliche Entscheidungen haben.
Betrachten wir nun den Sinn des Geschenke-Machens; zunächst
ist evident, dass man den jeweiligen "Sinn" eines Verhaltens
nicht ohne weiteres erkennen kann, denn es liegt nicht an der Oberfläche
offen zutage, sondern ist verborgen in überlieferten und als
selbstverständlich angenommenen Vorstellungen von dem, was
"normal" und "angemessen" ist, den Normalitätserwartungen,
die von Gruppe zu Gruppe und Kultur zu Kultur anders sind oder ein
können. Der Sinn eines Verhaltens, also hier Schenkens, lässt
sich also nur aus der jeweiligen kulturinternen Perspektive erschließen.
3 Derartige
wechselseitige Verpflichtungen sind natürlich auch im Westen
bekannt, doch schnell schrillen hier die ethischen Alarmglocken.
Es muss alles vermieden werden, was nach Bestechung aussieht oder
aussehen könnte. Einladungen oder Geschenke gelten als unerwünschte
Einflussnahme, ja als Bestechungsversuch. Das westliche Modell ist
das einer rigorosen und kategorialen Ethik, die keine Ausnahemn
zuläßt. Dem steht in anderen Geschäftskulturen eine
flexible und situative Ethik des "Es-kommt-auf-die-Umstände-an"
gegenüber. Es stehen sich also zwei im Prinzip unvereinbare
Werte gegenüber: das kategoriale westliche Autonomiestreben
und das asiatische System wechselseitiger (freiwillig eingegangener!)
Abhängigkeiten.
Während in der westlich geprägten Geschäftskultur
die Karten bei jeder Transaktion neu gemischt werden, und von Fall
zu Fall auf der Basis ökonomischer Realitäten entschieden
wird, greift in Asien und bei den in dieser Hinsicht ähnlichen
Kulturen das Prinzip der wechselseitigen Abhängigkeit mit einer
eher mittel - bis langfristigen Perspektive. Zunächst muss
der Partner intensiv auf seine Zuverlässigkeit und seine Wertvorstllungen
"ausgelotet" werden. Wenn Klarheit darüber besteht,
dass man zueinander passt und dauerhafte gemeinsame Interssen hat,
muss die einmal begonnene Beziehung durch einen fortgesetzten Austausch
von Signalen gepflegt werden, ebenfalls eine fortgesetzte Investition.
4 Für die Vertreter asiatischer Geschäftskulturen
gilt im Zusammenhang mit dem Geschenke-Machen zum Beispiel: Geschäftsbeziehungen
sind in erster Linie Beziehungen zwischen Personen. Sie dienen dem
Interesse aller beteiligten Parteien und sind nicht auf sofortigen
und einmaligen Nutzen, sondern auf längere Sicht angelegt.
Am Beginn einer auf längere Sicht angelegten Beziehung muss
also ein Ausloten, ein Kennenlernen und die allmähliche Herausbildung
einer persönlichen Beziehung stehen. Diese läßt
sich nicht erzwingen, sondern braucht Gelegenheit und Zeit. Die
als notwendig erachtete Menge an Kommunikation, und damit Zeit,
die zur Verfügung stehen muss, bevor man "zur Sache kommen"
kann, bezeichnen wir als "explorative Vorlaufkommunikation".
Der Aufbau einer persönlichen Beziehung ist ein Ritual, das
nur schwer verkürzt werden kann. Als Vorlauf verstehen wir
die Phase in der Kommunikation, die dem "getting down to business"
vorausgeht. Die Kulturen der Welt haben klare, wenn auch unterschiedliche
Vorstellungen davon, wieviel Vorlaufkommunikation angemessen ist.
Dies wird aller Voraussicht nach trotz der Rücksicht auf enge
Terminsetzungen so bleiben, und international tätige westliche
Geschäftsleute tun gut daran, ein entsprechendes Zeitbudget
einzuplanen. Umgekehrt kann man "nicht-Westlern" den Rat
geben, die für ihre Verhältnisse unangemessen kurze explorative
Phase im Westen nicht als ungehörig, sondern als kulturbedingt
zu verstehen.
Stratgisches
Wissen als Basis für das Verstehen des Anderen
1 Ein
universelles "normales Verhalten" gibt es nicht. Auch
die eigenen Regeln sind kulturbedingt und nicht universell gültig.
Die Suche nach den noch unbekannten Regeln der anderen Seite kann
dadurch erleichtert werden, dass man sich fragt, ob das beobachtete
Verhalten auch innerhalb der anderen Gruppe üblich ist. Falls
die eigenen und die Regeln des anderen nicht miteinander vereinbar
sind, solten vorsichtig gemeinsame Regeln des Umgangs ausgehandelt
werden, alllerdings immer eingedenk der Tatsache, dass Angehörige
von High-Context-Kulturen (Kommunikationsstil, in dem sehr vieles
indirekt oder durch non-verbale Signale ausgedrückt wird) es
nicht gewohnt sind, "offene", "klärende"
oder "konfliktorientierte" Gespräche zu führen,
sondern Konflikte eher durch Vermeidung zu lösen
2 Ein
anderes Beispiel: Deutsche legen darauf Wert, dass der andere ein
autonomes Wesen ist, das nicht auf die Fürsorege und Hilfsbereitschaft
des noch unbekannten Partners angewiesen ist, Denn Fürsorge
anzunehmen, bedeutet ja, sich in Abhägigkeit zu begeben. Aber
genau diese Spirale der Abhängigkeit will man erst gar nicht
in Gang setzen, vor allem, um selber autonom bleiben zu können.
Auch hier stoßen wieder unvereinbare Prinzipien aufeinander.
Damit hängen auch die unterschiedlichen "protokollarischen"
Erwartungen zusammen. Innerhalb von Kultuern in denen Respekt und
Ehrerbietung eine wichtige Rolle spielen, erweist man einem anreisenden
künftigen Geschäftspartner zum Beispiel die Ehre, ihn
vom Flughafen abzuholen und sich persönlich um das Wohlergehen
aller zu kümmern. Dieses "Ehre erweisen" bereitet
den Boden für die kommenden Sachgespräche und ist Teil
der "explorativen Vorlaufommunikation". Deutsche lehnen
diese Art der Betreunung nicht nur dann häufig innnerlich ab,
wenn sie dazu ihr Wochenende opfern müssen, sondern aus den
genannten prinzipiellen Gründen. Für die andere Seite
in diesem Prozess gilt spiegelbildlich, dass das eventuelle Ausbleiben
oder die starke Reaktion des "Ehre-Erweisens" nicht als
beabsichtigte Missachtung oder Geringschätzung verstanden werden
sollte, sondern als Ausdruck einer kulturbedingten Differenz.
3 Deutschen
fällt es bei Geschäftskontakten häufig schwer, Rangunterschiede
richtig zu erkennen. In Situationen, in denen gedolmetscht wird,
wendet man sich dann intuitiv oft an den Dolmetscher, weil in Deutschland
in der Regel derjenige am meisten redet, der am meisten "zu
sagen" hat. Es ist natürlich ein handwerklicher Fehler,
der nur Unerfahrenen unterläuft, sich zu sehr auf die Dolmetscher
auszurichten. In Asien kann es mit der Verteilung der wahren Macht
eben ganz anders sein: Mächtig sind oft diejenigen, die am
längsten schweigen.